Tabellen und Reports waren gestern
Einer von vielen Unternehmensbereichen, in dem KI-Lösungen unterstützen können, ist der Vertrieb. Wie Vertriebsmitarbeiter weg von hohem Verwaltungsaufwand, Reports und Excel kommen, erklärt Armin Hagemeier – Kooperationspartner des PVH FUTURE LAB
Welche Aufgaben kann eine KI im Vertrieb übernehmen und wie kann sie die Vertriebsarbeit erleichtern?
Armin Hagemeier: KI kann vor allem repetitive, strukturierte Aufgaben übernehmen. Das kreative Denken ist noch schwierig für KI-Anwendungen, aber sie kann mit unfassbaren Datenmengen umgehen. Sie verwendet beispielsweise Transaktionsdaten aus der Warenwirtschaft ebenso wie Produktstammdaten und Kundenstammdaten. KI kann kontinuierlich Daten analysieren, Wahrscheinlichkeiten berechnen, Handlungsempfehlungen geben und damit die Arbeit erleichtern.
Ein Beispiel: Ich beobachte, dass Produktstammdaten eine Herausforderung für viele Händler sind. Dabei ist es aber mit Algorithmen möglich, aus PDFs eines Herstellers die Produktinformationen auszulesen oder über existierende Produktstammdaten fehlende Informationen zu „schätzen“. Ist ein Produkt nicht in der Produkthierarchie eingeordnet, kann ein Algorithmus mittels „Value Imputation“ prognostizieren, wo dieses Produkt eingegliedert werden sollte.
Wird KI den Vertriebler ersetzen?
Nein, ich denke, künstliche Intelligenz kann den Menschen mittelfristig nicht ersetzen. Es gibt bestimmte Aufgaben, die das Potenzial haben, von der KI übernommen zu werden. Da der Arbeitsmarkt aber angespannt ist und es ohnehin zu wenige Fachkräfte gibt, ist die Frage nach Entlassung gar nicht gegeben. Eher ist die Frage, wie KI in einem Unternehmen sinnvoll eingesetzt werden kann, um die vorhandenen Mitarbeitenden zu entlasten.
Es geht dabei also eher um Veränderungen in den Prozessen. Darüber hinaus sehe ich momentan noch nicht, dass eine Maschine im direkten Kundengespräch die persönliche Kontaktpflege übernimmt. Vielleicht haben Sie schon einmal von Robotern in der Pflege gehört. Besser ein Roboter als kein Pflegepersonal, aber der Mensch ist zumindest mir noch lieber. So sehe ich das auch im Vertrieb.
» Die Frage ist, wie KI sinnvoll eingesetzt werden kann, um Vertriebler zu entlasten «
Neue Technologien unterstützen also den Vertriebler?
Sicher, die KI gibt verlässliche aus der Unmenge an Daten errechnete Handlungsempfehlungen. Sie gibt dem Vertriebler Hinweise, wann welcher Kunde kontaktiert werden sollte. Und sie gibt datenbasierte Vorhersagen etwa der Absatzzahlen. Damit unterstützt sie den Vertrieb und macht die Qualität von Prognosen weniger abhängig vom einzelnen Mitarbeitenden
und dem persönlichen Bias. Allerdings muss nicht zwangsläufig alles, was eine KI übernehmen kann, auch von ihr übernommen werden. Mitunter rechnet sich eine andere Herangehensweise ohne KI. Das heißt: ist eine Aufgabe sehr selten oder nicht zeitaufwendig, kann die Umsetzung von Hand preiswerter sein als die Automatisierung über eine KI.
Gibt es auch Grenzen für den Einsatz von KI im Vertrieb?
Es gibt zahlreiche Grenzen. Denn KI kann nur das erkennen, was in den Daten vorhanden ist. Zum Beispiel hätten Algorithmen die Umsatzeinbrüche und -verschiebungen durch die Coronapandemie nicht prognostizieren können, da so etwas bisher in keiner Unternehmenshistorie aufgetreten sein dürfte. Zudem benachteiligen Prognosealgorithmen unterrepräsentierte Daten und liefern deshalb möglicherweise fehlerhafte Ergebnisse. Gibt es in den Kundenstammdaten etwa einen breiten Kundenstamm an Tischlern und nur
sehr wenige Daten zu Industrieunternehmen, wird die KI extrem gute Ergebnisse zu den Tischlern, aber sehr viel weniger gute zu Industrieunternehmen liefern. Hier wie bei allen KI-Anwendungen gilt: Eine gute Datenbasis und Datenqualität ist entscheidend für die Qualität der Ergebnisse. Generische Algorithmen müssen trainiert werden, aber was sie lernen und wie gut das Ergebnis ist, hängt von den eingespeisten Daten ab.
Welche Schritte sollte ein Unternehmer gehen, um den digitalen Vertrieb einzuführen?
Zunächst ist der Weg abhängig von der Größe und dem Kapital des Unternehmens. Dann sollte ein Unternehmer klare Vorstellungen von den individuellen Anforderungen haben und Ziele für KI-Anwendungen formulieren. Zudem sollte ein vertrauenswürdiger Partner gefunden werden, der bei der Umsetzung hilft, insbesondere wenn keine interne IT-Abteilung vorhanden ist.
Dabei ist es wichtig, einen Kooperationspartner zu suchen, der sich in der jeweiligen Branche auskennt und vielleicht sogar bei der Beantragung von Fördermitteln unterstützen kann. Denn es gibt für solche Projekte Fördermittel von Land, Bund und der EU. Die regionalen Wirtschaftsförderungen sind immer eine gute Anlaufstelle, um entsprechend Informationen zu bekommen.
Armin Hagemeier ist Geschäftsführer und Co-Founder von Hadoco. Als Betriebswirt und gelernter Versicherungskaufmann hilft er Unternehmen, KI in den Vertrieb zu bringen. Als Kooperationspartner des PVH FUTURE LAB entwickelt sein Unternehmen gemeinsam mit den beteiligten Unternehmen den flixxstore-Bereich sellflixx für den Vertrieb stetig weiter.
Armin Hagemeier | Geschäftsführer und Co-Founder von Hadoco
Kooperationspartner des PVH FUTURE LAB
Quelle: PVH Magazin vom 12.12.2023